Was ist eine Arzneimittelallergie?
Spätreaktionen zeigen sich am häufigsten als sogenanntes Arzneimittelexanthem, das ist ein Hautausschlag, der in der Regel nach mehr als sechs Stunden, manchmal auch erst Tage nach Medikamenteneinnahme auftritt. Er kommt häufiger vor als die anaphylaktische Reaktion. Oft ist das Arzneimittelexanthem ungefährlich und heilt folgenlos wieder ab. Bei schweren Formen einer allergischen Spätreaktion können aber auch innere Organe wie Leber, Lunge und Niere beteiligt sein. Oft kommt es dann an der Haut zu Blasen oder Nekrosen oder einer Beteiligung von Schleimhäuten.
Besonders schwere und unter Umständen auch lebensbedrohliche Arzneimittelreaktionen sind die toxische epidermale Nekrolyse. Auslöser dieser Reaktionen können bestimmte Antiepileptika, das Gichtmittel Allopurinol, Sulfonamid-Antibiotika oder auch antiretrovirale Wirkstoffe, die für die Behandlung von HIV-Infektionen notwendig sind, sein. Insgesamt sind solche schweren Reaktionen jedoch sehr selten. Kreuzreaktion heißt, dass eine Arzneimittelreaktion nicht nur bei einem ganz bestimmten Wirkstoff auftritt, sondern auch bei anderen Wirkstoffen, die strukturell verwandt sind oder ähnliche Eigenschaften aufweisen. Bei allergischen Reaktionen kann das Immunsystem eines Menschen auf verschiedene Stoffgruppen reagieren, die sich im strukturellen Aufbau ähneln. Auch bei Intoleranzreaktionen gibt es Kreuzreaktionen, nämlich dann, wenn Wirkstoffe einen ähnlichen Wirkmechanismus haben.
Eine wichtige Säule für die Diagnostik ist die Krankengeschichte, die Symptome und Verlauf einer vermuteten Arzneimittelreaktion erfasst. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Medikamenteneinnahme und Reaktion macht eine Arzneimittelreaktion wahrscheinlich. Schwieriger wird es, wenn ein Patient mehrere Arzneimittel gleichzeitig eingenommen hat oder wenn Erkrankungen Symptome verursachen, die Arzneimittelreaktionen ähneln. Vermutet der Arzt eine Arzneimittelreaktion, wird er unter Umständen eine weitere Diagnostik vornehmen. Wichtig ist die Abklärung vor allem dann, wenn eine erneute Behandlung oder eine Weiterbehandlung mit dem entsprechenden Medikament erforderlich ist. Für einige Wirkstoffe existieren bestimmte Hauttests. Blutuntersuchungen spielen für den Nachweis einer Arzneimittelreaktion eher eine untergeordnete Rolle. Möglich ist beispielsweise der Nachweis einer Penicillinallergie durch spezifische Antikörper oder der Nachweis einer Soforttyp-Reaktion durch eine erhöhte Serumtryptase. Bei allergischen Reaktionen vom Spättyp sind unter Umständen Blutuntersuchungen nötig, mit denen der Arzt eine Beteiligung innerer Organe feststellen kann. Lässt sich ein Auslöser nicht durch die zuvor genannten Untersuchungen identifizieren, ist gegebenenfalls ein Provokationstest angebracht. Das bedeutet, dass der Patient unter kontrollierten Bedingungen und ärztlicher Überwachung im Krankenhaus das Arzneimittel erhält, auf das er reagiert hat. So einen Test vorzunehmen ist nach Expertenmeinung häufig sicherer als eine Arzneimittelunverträglichkeit einfach ungeklärt zu lassen. Nicht geeignet sind solche Tests allerdings, wenn womöglich nicht kontrollierbare bedrohliche Symptome auftreten könnten. Zur Abklärung von Arzneimittelreaktionen gehört auch die Testung von Präparaten, die alternativ für die Behandlung in Frage kommen. Wie eine Arzneimittelreaktion behandelt wird, hängt von den Symptomen ab. Treten Symptome einer anaphylaktischen Reaktion auf wie Hautausschläge, Atemnot oder Blutdruckabfall, sollten Betroffene den Notarzt rufen! Denn eine anaphylaktische Reaktion kann unter Umständen innerhalb kurzer Zeit zum Schock führen und eine notfallmäßige Behandlung mit Adrenalin und Kortison erfordern. Bei anaphylaktischen Reaktionen steht die Überwachung und Sicherung der lebenswichtigen Funktionen Atmung und Kreislauf im Vordergrund. Arzneimittelexantheme verlaufen in den meisten Fällen harmlos und heilen unter einer unterstützenden Behandlung mit Glukokortikoiden folgenlos ab. Dennoch ist es auch hier wichtig, bei Anzeichen auf eine solche Arzneimittelreaktion sofort den Arzt zu kontaktieren. Nur er kann beurteilen, ob eine weitere Abklärung und Behandlung notwendig ist. Schwere Arzneimittelreaktionen erfordern in der Regel eine Behandlung im Krankenhaus. Ist eine Arzneimittelallergie oder Arzneimittel-Intoleranz gesichert oder nach ärztlicher Einschätzung wahrscheinlich, muss der entsprechende Wirkstoff vermieden werden. Ob der entsprechende Wirkstoff künftig verzichtbar ist oder ob alternative Medikamente zur Verfügung stehen, muss mit dem Arzt besprochen werden. Gibt es keine alternativen Behandlungsmöglichkeiten, ist Rücksprache mit dem Allergologen zu halten. Er kann dazu beraten, ob und wie die Behandlung weitergeführt werden kann. Manchmal ist trotz einer bekannten Arzneimittelreaktion eine erneute Behandlung mit dem Wirkstoff unausweichlich – etwa wenn es sich um bestimmte Narkosemittel oder Röntgenkontrastmittel handelt. Dann können die Ärzte dem Patienten zuvor Medikamente verabreichen, welche die Arzneimittelreaktion eventuell abschwächen. Oder sie versuchen, eine vorübergehende Unempfindlichkeit gegen das unverträgliche Medikament zu erzeugen. Mögliche Vorteile und Risiken müssen dabei allerdings sehr sorgfältig abgewogen werden. In jedem Fall sollte der Betroffene einen Allergie-Intoleranz-Pass erhalten, der Angaben zu gesicherter Unverträglichkeit, möglichen Kreuzreaktionen und zu alternativen Präparaten enthält. Patienten sollten diesen Allergiepass am besten immer bei sich tragen und zusätzlich ihre Ärzte, Pfleger oder Apotheker immer über ihre Arzneimittelallergie oder Intoleranz informieren.