Allergien
Wenn unser Abwehrsystem überempfindlich reagiert, können Allergien die Folge sein. Doch was genau ist eine Allergie und was lässt sich dagegen tun? Ständiger Niesreiz, tränende Augen, Verzweiflung, Allergiker haben es nicht leicht. Erdnüsse knabbern, neben einer blühenden Wiese spazieren, die Katze von nebenan streicheln: Die gewöhnlichsten Tätigkeiten können für Allergiker zum Problem werden. Ihr Körper reagiert je nach Art der Allergie abwehrend auf körperfremde Substanzen wie Pollen oder Tierhaare, sogenannte Allergene. Äußern kann sich das auf unterschiedliche Weise, zum Beispiel durch tränende und juckende Augen, Niesreiz,
Atemnot aufgrund geschwollener Schleimhäute oder Magen-Darm-Beschwerden. Auch juckende Quaddeln und Ekzeme auf der Haut können auf eine allergische Reaktion hinweisen. Im schlimmsten Fall kommt es zu einem
allergischen Schock, der sogar zum Atem- und Kreislaufstillstand führen kann. Ob schwer oder leicht ausgeprägt: Viele Menschen leiden an Allergien. Fast jeder dritte Deutsche ist im Laufe seines Lebens betroffen. Am weitesten verbreitet ist dabei die Pollenallergie, die sich vor allem als
Heuschnupfen äußert. Wer eine Pollenallergie hat, blickt dem Frühling deshalb oft wenig entspannt entgegen. Aber auch andere Allergien können die Lebensqualität einschränken: Kontaktallergien, allergisches Asthma bronchiale und Allergien gegen Nahrungsmittel,
Hausstaubmilben oder Insektengifte. Nimmt der Körper eine fremde Substanz über den Magen-Darm-Trakt, die Nase oder die Haut auf, prüft das
Immunsystem, ob es sich um einen Krankheitserreger handelt. Ist das der Fall, wird er durch eine komplexe Abwehrreaktion bekämpft. Gelegentlich kann das Immunsystem nicht zwischen schädlichen und unproblematischen Substanzen unterscheiden und wehrt sich plötzlich gegen harmlose Stoffe, die zum Beispiel in Pollen oder Nüssen vorkommen. Eine solche Reaktion des Immunsystems bezeichnen Mediziner als Sensibilisierung. Erst wenn sie sich durch Krankheitssymptome bemerkbar macht, spricht man von einer Allergie. Zu allergischen Beschwerden kommt es meist nicht sofort beim ersten Kontakt mit dem Allergen, sondern erst nach einem wiederholten Kontakt. Je nachdem, auf welche Weise das Immunsystem auf einen Stoff reagiert, unterscheidet man grundsätzlich vier verschiedene Allergietypen, von denen Typ I und Typ IV am häufigsten vorkommen.
Typ I-Allergien: Rund 90 Prozent aller Allergien zählen zum Typ I. Darunter fallen zum Beispiel Allergien gegen Gräser- und Baumpollen, Hausstaubmilben, Nahrungsmittel, Bienen- und Wespengift sowie gegen Tierhaare. Das Immunsystem bildet dabei Antikörper der Klasse
Immunglobulin E gegen das Allergen, um es zu bekämpfen. Die Antikörper veranlassen die Freisetzung von Entzündungsbotenstoffen wie Histamin, wenn sie das Allergen wiedererkennen. Das löst Symptome wie Schwellungen der Haut oder Schleimhäute aus – und das bereits einige Minuten bis wenige Stunden nach dem Kontakt mit dem Allergen.
Typ II-Allergien: Hier bildet das Immunsystem Antikörper gegen Bestandteile der Oberfläche von Körperzellen. Wenn die Antikörper diese Zellstrukturen erkennen, aktivieren sie das Abwehrsystem. Dieses wiederum bekämpft die Körperzellen. Deshalb sprechen Mediziner auch vom zytotoxischen Allergietyp, was soviel bedeutet wie “giftig für Zellen”. Eine derartige Reaktion des Immunsystems kann sich zum Beispiel gegen rote Blutzellen richten, wenn Blut einer falschen Blutgruppe übertragen wurde.
Typ III-Allergien: Bei dieser Form der Allergie bilden sich Immunkomplexe aus Allergenen und Antikörpern, die sich im Gewebe (zum Beispiel in der Niere) oder in Blutgefäßen ablagern können. So kann zum Beispiel eine Gefäßentzündung entstehen: eine Vasculitis allergica. Sie macht sich oft durch punktförmige dunkelrote Einblutungen an Beinen oder Gesäß bemerkbar.
Typ IV-Allergien: Weil zwischen Kontakt und Krankheitszeichen 24 bis 72 Stunden vergehen können, nennen Mediziner diesen Typ auch Spättypallergie. Ein typischer Vertreter ist das allergische Kontaktekzem, das beispielsweise von Nickel oder Duftstoffen ausgelöst wird. Allergenspezifische Immunzellen, sogenannte T-Helfer-
Lymphozyten, sind für die Entstehung verantwortlich. Diese befinden sich teils im Blut, teils in Lymphknoten im Unterhautgewebe. Kommt der Betroffene nach der Sensibilisierung erneut in Kontakt mit demselben Allergen, wandern die allergenspezifischen T-Helfer-Zellen in die Haut ein und lösen ein allergisches Kontaktekzem aus.
Es gibt eine anlagebedingte Bereitschaft, auf harmlose Stoffe wie Baum- oder Gräserpollen mit einer IgE-vermittelten Allergie zu reagieren. Diese Veranlagung nennen Ärzte atopische Diathese oder atopische Konstitution. Menschen mit dieser Veranlagung leiden häufiger an Heuschnupfen, allergischem Asthma bronchiale und Nahrungsmittelallergien als andere. Gleichzeitig neigen sie dazu, eher als andere eine Neurodermitis zu entwickeln. Die Neurodermitis an sich zählt aber nicht zu den allergischen Erkrankungen. Allergene können dabei eine Rolle spielen, müssen es aber nicht. Nickelhaltige Knöpfe, parfümiertes Deodorant, Tierhaare oder Baumpollen? Um herauszufinden, auf welchen Stoff ein Patient allergisch reagiert, führt ein Allergologe zuerst ein Anamnese-Gespräch durch. Darin wird er fragen, wie sich die Beschwerden äußern und in welchen Situationen sie auftreten. Je nachdem, auf welchen Allergieauslöser der Verdacht fällt, gibt es mehrere Verfahren zur Diagnostik:
Pricktest: Wird eine Typ I-Allergie vermutet, ist der Pricktest als häufigste Hauttestmethode die erste Wahl. Je nachdem, welche Allergieauslöser im Verdacht stehen, träufelt der Arzt entsprechende Allergenlösungen auf die Innenseiten der Unterarme und sticht sie mit einer Lanzette leicht in die Haut ein. Reagiert das Immunsystem auf den Fremdstoff, bildet die Haut innerhalb von kurzer Zeit eine Quaddel und rötet sich.
Bluttest: Er wird häufig ergänzend zum Pricktest eingesetzt und kann die Antiköper im Blut bestimmen, die speziell gegen bestimmte Allergene gerichtet sind.
Epikutantest: Bei Verdacht auf eine Kontaktallergie, also eine Typ IV-Allergie, wenden Mediziner den Epikutantest an. Dazu kleben sie Allergenzubereitungen für rund 48 Stunden auf den Rücken auf. Reagiert das Immunsystem, bildet sich ein Ekzem oder es entstehen Bläschen.
Provokationstest: Der Allergiker wird hier direkt mit dem Allergen konfrontiert, so wie es tatsächlich in der Realität passieren könnte. Dazu träufelt der Mediziner zum Beispiel die Allergenlösung direkt auf Nasenschleimhaut oder Augenbindehaut. Bei einer vermuteten Nahrungsmittelallergie nimmt der Betroffene die verdächtigten Lebensmittel ein. Wichtig: Ein solcher Test muss ärztlich gut überwacht werden. Überlichweise findet er in einer Klinik statt, denn er könnte eine schwere allergische Reaktion auslösen, die sofort behandelt werden muss.
Sind die Allergieauslöser enttarnt, verhindern Betroffene die Beschwerden am besten, indem sie die jeweiligen Allergene meiden. Bei manchen Allergien wie dem Heuschnupfen ist das allerdings fast nicht möglich. Dann können Medikamente gegen Allergien wie Antihistaminika die Symptome lindern.
Bei Allergien vom Soforttyp besteht oft die Möglichkeit einer allergenspezifischen Immuntherapie, auch Hyposensibilisierung oder Desensibilisierung genannt. Ziel dieser Therapie ist es, das Immunsystem an die allergieauslösenden Stoffe zu gewöhnen und so dessen überschießende Reaktion abzuschwächen. Dazu spritzt der Arzt dem Patienten in bestimmten zeitlichen Abständen eine Allergenzubereitung in steigender Dosis. In manchen Fällen kann das Allergen auch in Form von Tabletten oder Tropfen mit der Mundschleimhaut in Kontakt gebracht werden.